HISTORY
Die Geschichte von holczer:radsport ist untrennbar verbunden mit dem Engagement der Familie Holczer im Radrennsport. Der RSV Öschelbronn, das Profiteam Gerolsteiner und seit August 2011 das russische Team Katusha standen und stehen in enger Verbindung zum Herrenberger Fahrradladen.
Bereits 1975 eröffnete Hans-Michael Holczer im Keller des elterlichen Hauses im Vogelsang in Herrenberg sein erstes „Radsport Fachgeschäft“.
Ursprünglich diente die Einzelhandelserlaubnis ausschließlich zur Versorgung der Aktiven des RSV Öschelbronn mit günstigem Radmaterial. Dem waren regelrechte Wallfahrten nach Frankfurt in die Phillip-Reiß-Straße (Gebrüder Brügelmann) vorausgegangen.
Sehr bald sprach es sich herum, dass es bei Holczer auch für „Nicht-Radrennfahrer“ eine günstige und faire Möglichkeit gab Campagnolo, Pogliaghi, Gios, Mavic, Le Taureau und andere edle Fahrradteile zu erstehen oder sich daraus einen Wunsch-Renner zusammenbauen zu lassen. Mehrheitlich wurden diese Marken von der Großhandelsfirma Stier in Stuttgart importiert.
Richard Stier selbst war es, der dem Studenten Hans-M. Holczer mit den Worten „Sie sind ab jetzt mein Kunde, bitte gehen Sie verantwortungsvoll mit der Materie um“ die Weihen gab in einen kleinen Kreis von Radsporthändlern bei ihm aufgenommen zu werden, denn hochwertige Fahrradteile und edle Renner waren damals im Gegensatz zu heute ein wahre Rarität. Auf ein Record Schaltwerk konnte man schon mal gut und gerne ein halbes Jahr warten. Es war also absolut nicht alltäglich in die Kundenliste aufgenommen zu werden. Schon gar nicht, wenn man gerade mal 21 war, im Keller werkelte und kein Bild eines Schaufensters vorweisen konnte.
Fachhandelstreue war zu der Zeit ein nicht zu unterschätzendes Gut und so dauerte es auch nicht lange bis der Kontakt zur Firma Paul Lange & Co hergestellt wurde. Die vierstellige Kundennummer sagt einiges über den frühen Zeitpunkt der Zusammenarbeit von holczer:radsport mit dem Stuttgarter Großhändler und Shimano-Importeur aus.
In den fast 40 Jahren der Zusammenarbeit ist aus einer Geschäftsbeziehung eine enge Freundschaft zwischen den Familien Lange und Holczer entstanden. Untermauert wurde diese durch den Aufenthalt der Holczerschen „Radsport-Lehrlinge“ aus der Familie Shimano. Jeweils zirka ein halbes Jahr wohnten Enkel und Urenkel des Firmengründers im Hause Holczer und schnupperten in die Welt der Fahrradwerkstatt und des Radsports.
Taizo Shimano und Hans Holczer sen. 1991
Insgesamt 3 echte Shimanos genossen den Familienanschluss in Herrenberg und Stuttgart: 1991 Taizo Shimano, 2002 Yuzo Shimano und 2003 Gozo Shimano.
Gozo und Yuzo Shimano mit Hans, Florian und Renate Holczer
Doch zurück zu den Anfängen.
Italien war in den Siebziger Jahren das Land der Träume für jeden Rennrad-Freak. Man hörte unglaublich Storys über die Mentalität, das Handelsgebaren, unkalkulierbare Zollprobleme und Lieferzeiten aus dem Land der Tenöre. Also machten sich Renate Nixdorf und Hans Holczer im Sommer 1975 auf, um die Einkaufsmöglichkeiten und Herstellerstruktur des Landes jenseits der Alpen zu erkunden.
Trento mit Moser, Verona mit Chesini, Brescia mit „Maglie Danesi“ und Treviso mit Pinarello und Simonato waren die ersten Stationen. Pinarello war damals noch im Zentrum des alten Stadtkerns von Treviso angesiedelt und das Rennrad von Fausto, dem heutigen Chef, hatte gerade mal 20 Zoll Räder.
Hans-M. Holczer und Francesco Moser 1979
Ein Ergebnis dieser Reise war die Zusammenarbeit mit dem Oscar Simonato, der als reiner Rahmenbauer in aller Regel für bekannte Marken produzierte und bis dato nur ganz wenig unter seinem eigenen Namen verkaufte.
Der erste Simonato in Herrenberg. Ein 22″ Renn-Rahmen wird für Andreas im Beisein der Senior-Chefin Adelheid Holczer ausgepackt.
Bis 1983 wurden unzählige Rahmen in zunächst abenteuerlichen Transporten nach Herrenberg gekarrt. Einen Tag bei den Zollbehörden am Brenner und in Kufstein-Kiefersfelden zu verlieren waren keine Seltenheit.
Renate ist voll begeistert vom Inhalt des Kofferraums und der Kombi ist keinesfalls überladen.
Als Oscar Simonato bei einem Autounfall tödlich verunglückte waren die Qualitätseinbußen in der Rahmenfertigung unübersehbar. So entstand die Idee einer eigenen Linie unter dem Namen Simonato, was allerdings heftigen Protest beim Sohn und Inhaber der Firma auslöste. In einer spontanen Entscheidung verband Hans Holczer den Namen des Radherstellers Simonato und den des deutschen Außendienstmitarbeiters Ravanelli zu SIMONELLI.
Seit 1984 ist SIMONELLI ein eingetragenes Warenzeichen von holczer:radsport. Bis heute werden in Kleinserien nach individuellen Vorgaben von holczer:radsport SIMONELLI Rahmen in Italien fertigen. Lange Zeit war es ausschließlich Tiziano Zullo – mit dem bis heute eine enge Freundschaft gepflegt wird – der nach solchen Vorgaben hunderte von SIMONELLI Stahl-Rahmen lötete und schweißte. Der Specialissima aus seiner Schmiede mit Columbus SLX Rohren, Cinelli Muffen, Cinelli Tretlagergehäuse, Campagnolo Ausfallenden, innen verlegten Zügen im Oberrohr und in der Kettenstrebe, mit verchromtem und pantographiertem Steuerrohr sind heute eine gesuchte Rarität. Später war es vor allem Alberto Battistello mit seiner Firma CMB der für holczer:radsport wie für viele namhafte Hersteller Aluminium-Rahmen schweißte.
1980 übernahm Renate, frisch verheiratete Holczer, die Geschäftsleitung in einem Radsportgeschäft, das auch von der Senior-Chefin Adelheid Holczer entscheidend geprägt war. Hierüber kann man in Hans-M. Holczers Buch „Garantiert Positiv“ folgendes lesen:
„Das Virus wurden wir freilich in der Familie nicht mehr los. Selbst meine Eltern, die vor 1969 mit Radsport wenig anfangen konnten, verbrachten ab Mitte der Siebziger einen Großteil ihres Lebens zwischen Laufrädern, Reifen und Rahmen. Zuerst im heimischen Keller, wo zwischen den Einmachgläsern meiner Großmutter ein Warenumschlag an Gonso-Trikots statfand, von dem heute so mancher Händler träumt. Später dann im damals neuen Laden. Viele Kunden erinnern sich noch heute gerne an die alte Dame, meine Mutter, die ihnen die Vorzüge gefetteter Bremshüllen und kugelgelagerter Naben derart schmackhaft machte, dass so mancher sein Preislimit glatt vergaß.“
Ziemlich genau 100 Rahmen passten an die vom Senior Hans Holczer geschweißten Gestänge in der Garage, ein paar weitere dutzend lagerten noch in den Kartons aus Italien. Das Schild an der Garage mit dem vom RSV Öschelbronn abgeleiteten Logo der 3 Räder und den Buchstaben „HMH“ stammt von Günther Schmidt und wurde in Radsport-Naturalien beglichen. Es hängt noch heute in der Espressobar.
In diesen Anfangsjahren gab es viele vor allem junge Helfer, die sich alle in den Jugendklassen des RSV Öschelbronn tummelten. Norbert, Ralf, Thomas und vor allem Frank, der sich als wahrer Meister des Speichen-Einlegens entpuppte standen wann immer sie konnten im Keller im Vogelsang um ganz nah an der Materie zu sein. Oft genug werden dabei die Hausaufgaben oder andere Pflichten vernachlässigt worden sein. Aber mindestens am Samstag Nachmittag war es unabdingbar im Vogelsang vorbeizuschauen – man musste ja schließlich wissen wie und wann man morgen zum Radrennen kommt.
Es war die Zeit als in Kalifornien die Pioniere des Mountainbikes mit abenteuerlichen Gefährten begannen die Berge rauf und runter zu heizen. Der aufkeimende Radsport-Boom und vor allem die dann folgende Erweiterung der Produktionspalette der Komponentenhersteller, allen voran Shimano, ließen das Holczersche Wohnhaus aus allen Nähten platzen. Im 1,91 m hohen Heizraum der als Werkstatt diente wurde teilweise im Schichtbetrieb gearbeitet. Jahrelang übernahm der Senior Chef Hans Holczer dabei die Nachtschicht. Er war als langjähriger Schlosser auch der Mann fürs Grobe. Qualitativ hochwertige Bremshebel für flache Lenker gab es vor den ersten Deore Komponenten nicht, den Bedarf nach einer weniger sportlichen Sitzposition mit Hilfe solcher Lenker schon. Also griff der Senior-Chef am Schraubstock zu Hammer und Aluminium-Backen und formte mit so wenig wie möglich Kratzern den Bremshebel so, dass auch Tourenfahrer in den Genuss der Bremswirkung einer effizienten Rennradbremse kommen konnten.
Im Frühjahr 1990 wurde dann der Neubau in der Horber Straße bezogen. Der Traum eines Radsport-Geschäftes direkt an der alten B14 wurde wahr. Mehr als 500 Quadratmeter wurden individuell auf die Bedürfnisse eines Fahrradladens mit einer kleinen Produktionslinie geplant und aufgeteilt:
Rahmenlager, Felgenregal, OEM-Lager, Reifenlager, Anlieferung mit ebenerdigem Eingang und Platz für Kundenfahrräder sowie die damals wie heute unüblich große offene Werkstatt. Im Zentrum des Verkaufsraums steht die nicht zu übersehende Espresso-Bar, eine Reminiszenz an Italien – wie der gesamte Stil des Ladens mit viel Granit und alten Emailschildern.
Zum Blickfang wurde auch die rote Feuerschutztüre. Auf der eher leblosen Fläche begannen sich ab den Weltmeisterschaften 1991 alle die im Radsport oder der Fahrradindustrie eine mehr oder minder bedeutende Rolle gespielt und den Laden in Herrenberg besucht haben, per Autogramm zu verewigen. Zu den bekanntesten zählen fast die gesamte Familie Shimano, Fausto Pinarello, die Brüder Basso, Gary Klein, Nicole Cooke, Rudi Altig, Jan Ullrich, Erik Zabel, viele bekannte Fahrer aus dem Telekom Team und natürlich eine ganze Reihe der Gerolsteiner Profis.
Das Espresso-rädle Logo prangte von 1990 bis zur Neugestaltung des Außenauftritts 2011 über dem Ladeneingang. Die Erklärung hierzu ist relativ einfach. Den Espresso gibt es im Laden kostenlos und selbst wenn der Schwabe sich einen Edel-Renner zulegt spricht er im Alltag halt von seinem „Rädle“.
Bis heute ist die Gaggia „ E90 Gruppo Due“ im täglichen Einsatz, mittlerweile ausschließlich mit Bohnen von Crema Deluxe, der Kaffee-Marke von Ronny Scholz.
Gary Klein und Haider Knall im Gespräch an der Espresso-Bar
In der Neubauphase 1989/90 wurde Stefan Stöhr, damals noch aktiv im Rennsport-Kader des RSV Öschelbronn als Mechaniker eingestellt. Ihm folgten in relativ kurzer Zeit Michael Podoll, der zuvor als Mechaniker beim TSC Berlin tätig war und Haider Knall. Mehr als 15 Jahre prägte dieses Trio den Verkauf und die Werkstatt des Espresso-rädle.
Eröffnung in Herrenberg Hans Holczer sen, Hans-M. Holczer, Michael Podoll und Norbert Funke
In dieser Zeit wurden auf der Basis von Rahmen der Hersteller Basso, Klein, Pinarello, Storck, Trek und Zullo fast 100% der verkauften Fahrräder in der eigenen Werkstatt gefertigt. In manchen Jahren deutlich über 500 Stück in einer Qualität, wie sie fabrikmontierte Fahrräder nie erreichen. Kompromisslos ist Qualität die oberste Maxime. Zur Befestigung der Anbauteile wie Gepäckträger oder Kotschützer werden nur Edelstahl-Schrauben verwendet, Laufräder werden „handemade by Espresso-rädle“ in der eigenen Werkstatt gefertigt und es wird nichts ausgeliefert was nicht eine separate Endkontrolle durchlief und schon beim Verkauf auf die Bedürfnisse und Körpermaße der Kundschaft angepasst wurde. Daran hat sich bis um heutigen Tag nichts geädert.
Alle diese Prinzipien der absoluten Qualitätsfertigung findet man heute noch immer bei holczer:radsport in der Horber Straße in Herrenberg. Selbstverständlich mit den neuesten Materialien und weiterentwickelt nach den aktuellen Erkenntnissen.
1994 wurde im Espresso-rädle das ersten deutsche Shimano-Service Center eröffnet. Es war der Kick-Off für viele weitere Shimano-Service Center in Deutschland. Entwickelt wurde das Konzept von Paul Lange & Co in Zusammenarbeit mit Hans-M. Holczer, der auch den Anstoß für ein solches Projekt gab.
Äußerst interessant und inspirierend wirkte sich die Zusammenarbeit mit den deutschen Top-Teams Histor bzw. Schauff Öschelbronn und Gerolsteiner aus. Viele Lösungen für technische Probleme von denen dann auch der eine oder andere Hersteller profitierte entstammen aus der holczer:radsport Werkstatt. So mancher japanische Techniker verbrachte Tage und Stunden zusammen mit den Mechanikern von holczer:radsport, vor allem um den Geheimnissen leichter, stabiler und haltbarer Laufräder auf die Spur zu kommen.
Im Laufe der Neunziger Jahre wurde das Sortiment dann auch in untere Preisbereiche erweitert. Im Zuge der Weiterentwicklung der Full-Suspension Mountainbikes stieg auch der Anteil an Kompletträdern die vor allem aus dem Hause Trek und später – durch den Wechsel des Rahmen-Sponsors von Gerolsteiner – von Specialized kamen. Nach wie vor liegt der Anteil an individuell aufgebauten Fahrrädern aller Art bei mehr als 50%.
In Begleitung und als technische Wiege des Team Gerolsteiner wurde die Zusammenarbeit mit Specialized intensiviert und ausgebaut.
Hans-M. Holczer und „Mr. Specialized“ Mike Sinyard im Specialized Head-Quater in Morgan Hill
2011 wurde der Verkauf von Specialized Produkten an den ehemaligen Betreiber des Teams Gerolsteiner, die Holczer Radsport-Marketing GmbH übergeben. Im März 2011 eröffnete die Holczer Radsport-Marketing GmbH im ehemaligen Gebäude des Teams Gerolsteiner einen Specialized Concept Store im Nachbarort Gültstein.
Im Herrenberger Stammhaus in der Horber Straße 61 konzentriert man sich seitdem im Bereich der Kompletträder wiederum auf die Marke Trek, die mit ihrer Palette an Karbon-Rahmen auch eine ideale Basis für Individualaufbauten bietet.